Experte fordert Reform des deutschen Gesundheitswesens

Über 200 Gäste waren der Einladung von Dr. Richard Kiessler zu der 27. Netzwerkveranstaltung der STADTGESPRÄCHE.ruhr gefolgt. Die Stimmung im ungewöhnlichen und schönen Ambiente des Chorforums Essen war schon bestens, als Gastgeber Kiessler mit Impulsgast Günter Verheugen ein echtes Polit-Urgestein ankündigte. Stationen der politischen Karriere im Schnelldurchlauf: Nach dem spektakulären Koalitionsbruch der FDP, deren Generalsekretär er war, mit der SPD, trat Verheugen 1982 in die SPD ein, für die er von 1983 bis 1999 im Bundestag saß und deren stellv. Fraktionsvorsitzender sowie Bundesgeschäftsführer er wurde. Ab 1998 Staatsminister im Auswärtigen Amt unter Joschka Fischer, ein Jahr später bis zur seiner Abberufung 2007 war Verheugen dann Mitglied der Europäischen Kommission und da u.a zuständig für die Erweiterung der EU. Mehr als genug Gesprächsstoff für einen spannenden Polit-Talk. Die EU machte der erfahrene Moderator Jürgen Zurheide auch gleich zum ersten Thema. Günter Verheugen erklärte zwar, sich Sorgen darüber zu machen, dass in den 27 Mitgliedsstaaten des Bündnisses immer mehr ultrarechte Parteien nach der Macht greifen würden. Eine Alternative zur EU, von der Deutschland politisch und wirtschaftlich am meisten profitiere, sehe er aber nicht. Aus seiner Sicht sollten Deutschland und Frankreich als starke Nationen gemeinsam als gutes Beispiel vorangehen, um die EU als politische und wirtschaftliche Macht weiter zu stärken. Seine Forderung: Die demokratischen Länder Europas müssten den „european way of life“ verteidigen und eng zusammenstehen. Gar nichts – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – hält Verheugen davon, die Ukraine kurzfristig in die EU aufzunehmen. Die Beitrittsvoraussetzungen habe die Ukraine doch bei weitem noch nicht erfüllt. Stichwort: Korruption. Und schließlich befinde sich das Land im Krieg. Außerdem würden Staatenwie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien oder auch die Türkei schon seit Jahren darauf warten, EU-Mitglied zu werden. Sollte die Ukraine vorgezogen werden, könne das zu großen Verstimmungen führen. Auch was den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine angeht, hat Günter Verheugen seine ganz eigene Sichtweise. Das sei keine plötzliche Naturkatastrophe gewesen, sondern habe einen langen Vorlauf gehabt. Das Gespräch zwischen Zurheide und der Polit-Legende war spannend, tiefgründig, informativ und interessant. Man hätte im Saal eine Stecknadel fallen hören können. Der Impulsgast erwies sich als Mann der klaren Worte, der seine Überzeugungen ohne Wenn und Aber vertritt. Überzeugungen und Ansichten, die man nicht unbedingt alle teilen muss.
Ein weiterer Star des Abends und absolutes kulturelles Highlight war Saxophonist und Klarinettist Wolf Codera. Gemeinsam mit Pianist Axel Steinbiss begeisterte der Vollblut-Musiker, der mit seinem Projekt „Session Possible“ Deutschland weit bekannt ist, die geladenen Gäste der „STADTGESPRÄCHE.ruhr“ mit filigraner, gefühlvoller Musik. Und dann gab es noch einen prominenten Protagonisten, der zwar nicht leibhaftig vor Ort war, sondern nur auf der Leinwand. In einer Videobotschaft bedankte sich Rock-Sänger Peter Maffay bei den Gästen für die Unterstützung von notleidenden Musikern in Afghanistan. Er selbst hatte der von seinem Essener Freund und Musiker-Kollegen Ahmad Jawed gegründeten Initiative „Our Voice Is Our Answer“ eine handsignierte Gitarre für eine Charity-Versteigerung Verfügung gestellt. Diese wechselte beim letzten Netzwerk-Treff für stolze 6.000 € den Besitzer. Die warmen Worte von Peter Maffay – ein emotionaler, harmonischer Schlussakkord des offiziellen Teils der STADTGESPRÄCHE.ruhr, bevor die Gäste bei leckerem Grünkohl – vom Meister der Kochkunst Michael Scheil persönlich zubereitet – und guten Getränken das soeben Gehörte in Gesprächen am Tisch vertiefen konnten: Denn das möchte die Veranstaltung mit ihren Impulsgästen erreichen – die Salonkultur befördern und eine Plattform schaffen für Networking und interkulturelle Gespräche.

Text: Peter Pionke /ek